Quelle: Wetterauer Zeitung vom 02.07.2024 – Artikel von Hanna von Prosch
Seit 41 Jahren gehört das Internationale Fest zu Bad Nauheim. Auch diesmal wurde deutlich, das Offenheit gegenüber anderen Menschen und Kulturen und Frieden möglich sind.
Ursula Leichtweiß hat eine schlaflose Nacht hinter sich. Bis zum Sonntagmorgen schaut sie immer wieder auf die Wettervorhersagen, kämpft mit Krankmeldungen im Verein und vielen Anfragen, ob das Internationale Fest in Bad Nauheim wegen Regens vielleicht doch abgesagt werden muss. »Es hätte in jedem Fall stattgefunden. Wir haben alle Stände unter den Arkaden und zusätzlich Zelte aufgestellt. Nur bei Sturm wäre es gefährlich geworden«, sagt sie, als klar ist, der Regen wird pünktlich um 11 Uhr aufhören. So kann das Fest in der Trinkkuranlage wie geplant mit Dudelsackspieler Thomas Wandt beginnen.
Der Tenor in der Ansprache von Bürgermeister Klaus Kreß nimmt Bezug auf die gesellschaftliche Stimmung. Er spricht von Intoleranz und Machtgier und von denen, die darunter leiden: »Ich wage zu behaupten, dass die meisten Menschen bereit sind, ohne Konflikte und in Frieden miteinander zu leben.« Wie das gehe, sehe man am Mikrokosmos Bad Nauheim. Kreß äußert den Wunsch, dass der Internationale Club mit seinen Vereinen noch lange die Kraft und das Herzblut haben möge, das vermeintlich Fremde den Menschen als Bereicherung nahezubringen.
Ukrainische und russische Kinder
Vorsitzende Leichtweiß betont, wie wichtig es sei, dass sich alle zusammentun und untereinander vernetzen, um stark zu sein gegen zerstörerische Kräfte. Das Bündnis für Demokratie nehme einen wichtigen Platz auf dem Fest ein, ebenso wie das Engagement der Kinder in den einzelnen Programmpunkten: »Sie tragen unsere Hoffnung weiter.« So verwandelte anschließend ein Ensemble des Gospelchors For Heaven’s Sake in ihren Liedern den aus Verzweiflung geborenen Ruf nach dem Himmel in Zuversicht.
»Spielerisch lernen und gemeinsam wachsen« lautet das Motto des neuen Vereins KuBiKi, ehemals Deutsche Jugend aus Russland. 120 Kinder aus Rumänien, Kasachstan, Moldau, Russland und der Ukraine sind darin vereint. »Leider haben wir zurzeit keine deutschen Kinder«, bedauert Vorstandsmitglied Nathalie Blum. Probleme gebe es hier keine, weder in der Schule noch auf der Arbeit, erklärt Ekaterina Leopold, deren Großmutter Deutsche gewesen ist.
»Wir sind seit zwei Jahren hier und fühlen uns sehr wohl. Danke, dass ihr da seid«, bestätigen zwei junge Frauen aus der West-Ukraine, die in ihrer Festtagstracht mit bunt bestickter Bluse und Blumenkranz im Haar durch die Trinkkuranlage schlendern. Am ukrainischen Stand erfährt man, dass das Nationalgericht Borschtsch seit 2022 immaterielles Kulturerbe ist. Das Beste: Man kann es gleich probieren, während auf der Bühne die Kindergruppen von KuBiKi zeigen, was sie einstudiert haben.
Demokratie stärken, Toleranz vorleben
Auch Syrien, Georgien und Afghanistan, die Türkei, Frankreich, Eritrea und Tataren sind mit ihren Spezialitäten vertreten. Hinter den Kochtöpfen von Arena Latina erklingt lateinamerikanische Musik. Hier werden Espanadas-Varianten angeboten und Rotwein aus Argentinien. Nebenan gibt es Mojito und Pina Colada. Zwei Portionen zum Mitnehmen bestellt eine Besucherin am indonesischen Stand Nusantara. Es gibt Hähnchencurry speziell gewürzt, auf Wunsch mit Rezept.
So variantenreich wie das Essen ist auch das Non-Stop-Bühnenprogramm mit Höhepunkten aus farbenreichen Volkstänzen, liebenswerten Kindergruppen und einem afrikanischen Trommelspektakel. Marie Winter, Schlager- und Musical-Star aus Bad Nauheim, tritt zusammen mit den Tanzformationen von Li-Dance auf und gibt ein Preview auf »Sommernacht«. Das ist ihr neuer Song, der am 19. Juli auf allen Download- und Streaming-Portalen erscheint und beim Internationalen Fest erstmals speziell für das Bad Nauheimer Publikum und einige aus ganz Deutschland angereiste Fans präsentiert wird.
Interessante Gespräche ergeben sich während des Internationalen Festes beim Bündnis Demokratie schützen. »Die meisten sind auf unserer Seite. Politische Diskussionen sind selten, manche wollen ein bisschen provozieren. Aber hier ist kein Platz dafür«, sagt ein Vertreter des Bündnisses. Er hat sich gerade mit einer jungen Frau mit Kind unterhalten, die mit einem Afghanen verheiratet ist und versucht, Toleranz im direkten Lebensumfeld vorzuleben. Gerade unter der jungen Generation erfahre er wenig Gleichgültigkeit. Der Mikrokosmos Bad Nauheim feiert also wiederum ein friedliches, buntes Miteinander ganz ohne Regen.
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